Heinrich Zillich (1898-1988) Teil II
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Hans Holzträger
Erinnerungslücken und
Verschweigen
Das Bild der Juden und Zigeuner und die NS-Vergangenheit
der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in den Südostdeutschen
Vierteljahresblättern
Hans Wolfram Hockl
Eine denkwürdige Tagung
Reaktionen
von Heinrich Zillich, Friedrich Cloos, Dr. Walter Loew, Viktor Stürmer
u.a. auf die Streitschrift Hockls
Dokumente
Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben reagieren in der übergroßen Masse allergisch, wenn von "Juden" und "Zigeunern" die Rede ist und erst recht, sobald die Aufarbeitung (besser wäre: Vergangenheitsbewältigung) der nationalsozialistischen Vergangenheit gefordert wird. Darüber soll nicht geredet und nichts veröffentlicht werden, das ist von Anfang an der Wille der Leitung der Siebenbürgischen Landsmannschaft in der BRD und Österreich. Nur ja nicht die Karten aufdecken, der historischen Wahrheit freien Lauf lassen, würden dann doch allzu viele demaskiert und belastet. Zu viel ist aus der Zeit von 1933-1944 unter allen Deutschen, auch der in Rumänien, "unter den Teppich gekehrt" worden. Dieses Gift war, ist und bleibt gefährlich, es wirkt weiter.
Viele der aus Rumänien nach Deutschland ausgesiedelten Sachsen und Banater Schwaben wählen, kaum hier angekommen, Rechtsparteien, äußern sich auch in Gesprächen und Leserbriefen allzu oft im Geiste des Nationalismus. Und auch die nach 1945 Hiergebliebenen tun sich nicht leicht mit der Aufarbeitung und Bewältigung der NS-Vergangenheit. Ist es unter diesem Aspekt ein Wunder, daß sich die Südostdeutschen Vierteljahresblätter unter der Regie von Heinrich Zillich nur wenig, ja kaum mit dieser Epoche befaßten?
Nur wenig erfahren wir über das Schicksal der Juden in der nationalsozialistischen Zeit, meint Salcia Landmann. Warum "die einseitige Liebe der Juden zu Deutschland" kaum erwidert worden ist" fragt die Verfasserin. Heinrich Zillich dagegen stellt die Frage, warum Salcia Landmann nicht darauf eingehe, daß Jahrzehnte lang etliche jüdische Literaten, die namentlich nicht erwähnt werden, das Deutsche verhöhnten? Zillich kritisiert an dem Buch, daß Kuns Terror in Ungarn 1919 unbeachtet bleibt, "wenngleich gerade dort (so Zillichs wiederholt geäußerte Behauptung) der Antisemitismus angefacht wurde, was die Historiker bisher noch nicht erkannten."
In der Rezension des Buches von Andreas Biss "Der Stopp der Endlösung. Kampf gegen Himmler und Eichmann in Budapest", Stuttgart 1966, 358 Seiten, besprochen von Hans Beyer in den SDVJBL, Heft Nr. 2 / 1969, Seite 133, stellt Beyer die Frage, ob zahlreiche Juden zu retten gewesen wären, wenn amerikanische Behörden in den Jahren 1942-1945 dem amerikanischen Außenministerium zugegangenen Berichte über die "Endlösung der Judenfrage" ernst genommen hätten? Im Nachkriegsdeutschland stürzen sich die Schuldiggewordenen auf diesen Hinweis, natürlich mit der Ausrede, die Amerikaner seien mitschuldig am Tod der Juden! Doch immerhin ist zu bemerken, daß es Deutsche waren, die das jüdische Volk, wenigstens in ihrem Machtbereich, zu vernichten versuchten. Daß die Amerikaner nur wenige gerettet haben, macht die deutsche Schuld nicht kleiner. Der Rezensent weist darauf hin, daß Andreas Biss "Volljude" war; ein Begriff, der dem NS-Vokabular, den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 entstammt, und von Demokraten nicht verwendet werden sollte.
Im 30. Jahrgang der Südostdeutschen Vierteljahresblättern, Heft Nr.1, 1981, Seite 46-47, beklagt Heinrich Zillich den Tod des in Brenndorf im Burzenland geborenen späteren KZ-Arztes, Dr. Fritz Klein. Ein Siebenbürger Opfer der Siegerjustiz.
Wie einseitig und verantwortungslos Heinrich Zillich mit der NS-Zeit umgeht, wird ersichtlich, wenn wir seinen Aussagen dem Artikel von Prof. Dr. Andreas Möckel/Würzburg: "Opfer der Siegerjustiz"? entgegenstellen, veröffentlicht in Licht der Heimat, München Nr. 331, Mai 1981.
"Ich schreibe diese Zeilen nicht gerne. Es bleibt mir aber keine andere Wahl. Ein Siebenbürger Opfer der 'Siegerjustiz'. Dr. med. Fritz Klein war SS-Arzt im Konzentrationslager Auschwitz, in Bergen-Belsen und Neuengamme."
Im kirchlichen Außenamt der Ev. Kirche in Deutschland arbeitete damals Werner Otto von Hentig, der sich für Klein einsetzte und der ihn für einen "absolut und nachweisbar Unschuldigen" hielt. Rund 35 Jahre nach Kleins Tod veröffentlichte Zillich, der sich in der gleichen Nummer der SDVJBL als Schriftleiter verabschiedete, einen Abschiedsbrief Kleins. Zillich meinte, Kleins letzte Worte zu geeigneter Stunde veröffentlichen zu sollen. "Es wäre wohl besser für Dr. Klein gewesen, hätte Zillich ihn in Frieden ruhen lassen. Nun ist der ärmliche Brief gedruckt. Er enthält einmal mehr eine Leere und den Wahn, aus dem heraus Hitler ahnungslos widerstandsunfähige Werkzeuge für seine Verbrechen gewinnen konnte".
Prof. Dr. Andreas Möckel hat beim Schriftleiter der Südostdeutschen Vierteljahresblätter gegen diesen Artikel protestiert, der jedoch seinen Protest nicht abdrucken wollte. "Die Veröffentlichung des Briefes von Fritz Klein in dieser Form muß zurückgewiesen werden.... Ich (Andreas Möckel) bin weit davon entfernt, alles verteidigen zu wollen, was die Gerichte der Siegermächte damals taten. Aus dem Protokoll des Prozesses geht aber hervor, daß Dr. Klein wahrscheinlich ein unfreiwilliger Henker und insofern selbst ein Opfer, und zwar der Herren war, die ihn in das Konzentrationslager Auschwitz schickten. Klein stand auf der Rampe des Bahnhofs von Auschwitz und mußte entscheiden, wer arbeitsfähig und wer arbeitsunfähig war. Alles andere ging den Arzt nichts mehr an. Aber Klein wußte, daß die arbeitsunfähigen Menschen, Frauen und Kinder, in den Gaskammern getötet wurden. Ein Mensch, der auf Befehl und wissentlich Menschen für die Todesmaschine selektiert, ist kein Held."
Die Veröffentlichung des Briefes von Dr. Klein ist eine Beleidigung all derer, die den Mut hatten, Widerstand zu leisten, und die für die Menschlichkeit gekämpft und sich dafür geopfert haben. Es ist noch zu vermerken, daß nach dem 8. Mai 1945 von den Westalliierten weniger Deutsche wegen Verbrechen im Dritten Reich verurteilt wurden, als Todesurteile von der deutschen Justiz allein im Jahre 1944 ausgesprochen und vollstreckt wurden. Von einer Rachejustiz der Westalliierten kann keine Rede sein.
Dr. Klein ist auch nicht zwangsläufig zur Waffen-SS und deren ärztlichen Dienst eingezogen worden. Dies ist historisch falsch. Den Siebenbürger Sachsen war es nach dem zwischen dem Deutschen Reich und Rumänien abgeschlossenen Staatsvertrag freigestellt zu wählen, ob sie in der deutschen oder in der rumänischen Armee Dienst tun wollten. Wenn hier von "Zwangsläufigkeit" geredet werden kann, so allenfalls in Bezug auf den Gruppendruck, den wir Siebenbürger Sachsen bzw. Banater Schwaben auf unsere eigenen Leute ausgeübt haben.
In einem Brief von Dr. Fritz Klein, geschrieben im Landesgerichtsgefängnis Lüneburg am 18. November 1945 an seine Mutter, Frau und Geschwister, heißt es: "So bin ich denn froh und stolz, daß ein scheinbar grausames Schicksal mich auserwählt hat, als Opfer für mein heißgeliebtes Volk, für mein aufrechtes Deutschtum zu sterben. Wie ihr, meine Lieben, aus Radio und den Zeitungen wohl schon erfahren habt, ist gestern im Lüneburger Prozeß das Urteil gesprochen worden und das heißt für mich: 'Tod durch den Strang'. Laßt den Kopf nicht hängen, ich bitte Euch! Tragt ihn vielmehr aufrecht, klagt nicht, weint nicht! Millionen Opfer hat der Krieg verlangt. Warum soll nicht auch eins aus unserer engsten Familie darunter sein? Und das die außergewöhnliche Art des Sterbens abverlangt, stoßt Euch nicht daran! Ich halte meinen Tod für ebenso ehrenvoll, als wenn ich an der Front, vor dem Feinde in der ersten Linie gefallen wäre. Ich werde furchtlos tapfer und treu sein bis zum letzten Atemzug. Seid versichert, ich fühle mich schuldlos, habe immer und in allem nur meine Pflicht getan, erhaltene Befehle durchgeführt und fürchte darum den Tod nicht, glaubt es mir! Ich will ihn ruhig erwarten.... Ich hätte ja gerne mit Euch, meine Lieben, noch einige Jahre zusammen gelebt, bin aber ebenso gern bereit, für mein deutsches Volk zu sterben, wenn es sein soll. Grüßt mir alle Freunde, Bekannten und nehmt als meine letzten Worte den Ausspruch von Fichte: 'Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben, an deines Volkes Auferstehen! Laß diesen Glauben dir nicht rauben, was immer mag geschehen! Und handeln sollst du so, als hinge von dir und deinem Tun allein, das Schicksal ab der höchsten Dinge und die Verantwortung wäre dein.' Dein Bruder Fritz".
Wie Heinrich Zillich - und mit ihm sicher zahlreiche Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben - sowie leider auch Angehörige anderer Völker über das Volk oder besser die verschiedenen Zigeunerstämme denken, erfahren wir in seiner Besprechung des Buches von Hermann Arnold. Die Zigeuner. Herkunft und Leben der Stämme im deutschen Sprachgebiet. Olten und Freiburg 1965. "Arnold betrachtet die Zigeuner ohne Scheuklappen; er sieht ihre Unfähigkeit zum Planen, zum Schöpferischen, zum abstrakten Denken, zur geistigen Vertiefung", so Heinrich Zillich.
Wie aber sollten denn die Zigeuner in ihren armseligen Hütten zusammengepreßt, von allen verachtet und ausgestoßen - und das über viele Hunderte von Jahren - ohne Schulbildung, Bücher, zum abstrakten Denken, zur geistigen Vertiefung, fähig sein? Und außerdem, sind nur die von der historischen "Aufklärung" geprägten Menschen wertvoll?
Als Rumänien den Minderheitenvertrag von 1919 in Paris unterschrieb, dachte niemand an die Zigeuner. 1930 lebten 262 501 Zigeuner in Rumänien, heute - 1994 - dürften es über 2,5 Millionen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserte sich ihre Rechtslage erheblich.
"Politisch und sozial vollkommen unbelastet, können sie als sogar bevorzugte Minderheit unbemerkt im Staatsvolk aufgehen. Sie verstehen es dabei, die Konturen ihrer Herkunft zu verwischen und Chancen zu nutzen. Sie sitzen auch in höheren Staatsstellen, tragen Uniformen und im Sinfonieorchester den Frack. Ihre Nachkommen sind oft Hochschüler.... Heute ist es schwer, diese Zigeuner aus der Bevölkerung herauszufinden. Würdigem Auftreten und modischer Eleganz opferten sie Kartenaufschlagen und Kesselflicken". Der Verfasser dieser Recherche (Hans Holzträger) hat bereits vor sechzig Jahren elegante, sicher auftretende Zigeuner kennengelernt und nach 1960 Zigeuner, die als Maschinenbaumeister oder als Vorsitzende von florierenden landwirtschaftlichen Genossenschaften in Ungarn und Rumänien arbeiteten. Wie Heinrich Zillich, so sieht auch Günther Ott in "Die Zigeuner sind da". 1971 (181-182), das Zigeunerproblem traditionell verkürzt:
In der Straßenbahn irritiert ihn ein Gestank, "wie er ungepflegten Menschen meist anhaftet; er kommt von zwei Fahrgästen vor mir ... ihre langen Haare sind ungewaschen. Das Wesen (!) rechts steckt in einem Schafspelz, wie er von Karpatenhirten, der Nachbar in einem abgewetzten Mantel, wie er von siebenbürgischen Zigeunern getragen wurde". Doch bei näherem Hinsehen entpuppen sich die beiden jungen Männer, wenn auch an ihren zarten Gesichtern struppige Bärte hängen, als Nichtzigeuner, denn ihre Hände sind fein, sehen nicht nach Wind und Wetter aus, sondern eher nach Büro und Studienstube.
Nach dieser Einleitung erzählt Ott die alte, längst abgedroschene Geschichte von den Hühnerdieben, die Wanderzigeuner sind und die von der rumänischen Gendarmerie blau geprügelt werden. Kein noch so zaghafter Versuch wird unternommen, das Problem der Roma in Rumänien und anderswo historisch, ethnisch oder gar sozialwirtschaftlich anzugehen! Auch bei Heinrich Zillich erfolgt kein Heraustreten aus verkrusteten, voreingenommenen Vorstellungen und Positionen.
Zillichs Beitrag ist die Meldung, daß sich innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte, 1955-1975, die Zigeuner in Rumänien von 67 000 auf 229 860 "vermehrten, für die Bukarester Politiker wohl kaum erwünscht", amüsiert sich Zillich. Wie wenig Zillich sich ernsthaft mit der Zigeunerfrage befaßt, zeigen seine Romane und Erzählungen. Zillichs Schau der Zigeuner ist überheblich, rassistisch, selbstzufrieden, zuweilen gar brutal.
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben
Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle die Deutschen aus Jugoslawien, Ungarn, der Slowakei, Bukowina, Bessarabien und Dobrudscha.
Heinrich Zillich war von 1959 bis 1981 Schriftleiter der Südostdeutschen Vierteljahresblätter, ein "alleinbestimmender Schriftleiter der Zeitschrift". Zillich beschreibt dies folgendermaßen: "Die eigentliche Redaktionsarbeit habe ich bis heute (März 1981) allein vollbracht - 22 Jahre lang ... In den 88 Heften, die ich gestaltete, ergriff ich in jedem mehr als zweidutzendmal das Wort in Aufsätzen, Glossen, Notizen oder Buchbesprechungen, entweder unter meinem Namen oder dem Zeichen H.Z. oder - weil ich nicht zu oft genannt werden wollte - als Lutz Tilleweid bzw. L.T."
In der Ausgabe 1968 nimmt Heinrich Zillich im Rahmen der "Bücherschau" (Buchbesprechung) zum Titel von Armin Mohler: Vergangenheitsbewältigung. Von der Läuterung zur Manipulation. Stuttgart 1968, Stellung.
Zum Thema Vergangenheitsbewältigung gab es bis zum Jahre 1968 allein in deutscher Sprache sicher einige hundert Bücher. Und so fragt man sich, warum Zillich gerade nur diesen Titel rezensiert. Die Antwort ist offensichtlich. Dieses Buch ist Wasser auf die Mühle der Ewiggestrigen. Daß es offene, doch meist versteckte Freunde des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich noch heute gibt, ist hinreichend bekannt, nicht erst seitdem Häuser, in denen Ausländer leben, in Flammen gesteckt werden. So zitiert Heinrich Zillich: "Jeder denkende Mensch in Deutschland kennt die Kräfte, die aus der sogenannten 'Vergangenheitsbewältigung' ein Geschäft gemacht haben, bei der ständig jemandem eine Schuld angehängt wird, die darin bestehen soll, daß er einmal anders dachte, als der Anschuldiger..." Zillich möchte, wie auch Mohler und andere, einen "Schlußstrich unter die Bewältigerei" ziehen, durch eine Generalamnestie, durch Anerkennung des Rechts auf politischen Irrtum, durch die Abkehr von der Verfehmung wegen "Gesinnungsdelikten".
Ein Wunsch, dem schon entsprochen werden könnte, wenn die Betroffenen sich wirklich vom nationalsozialistischen Denken und Handeln wegbewegten, hin zu humanistischen und demokratischen Inhalten und Gepflogenheiten. Nie und nirgends hat sich Zillich mündlich oder schriftlich von seinem Gedicht für Adolf Hitler distanziert. Zudem hat er sich noch 1980 in einem Brief antisemitisch zu Wort gemeldet. In dem Gedichtband "Dem Führer, Gedichte für Adolf Hitler." Stuttgart- Berlin 1939 steht darüberhinaus ein Gedicht von Heinrich Zillich:
"Den Deutschen von Gott gesandt ...
Den Deutschen von Gott gesandt, lange verkannter einsamer Mann,
du Großer, an dem sie gefehlt, weil sie erst spät auf den
Schild,
aber dann doppelt freudig dich hoben, Herzog der Deutschen, Retter
des Reichs und des Volks bis
in die letzte Mark.
Nicht nur das Reich, nicht nur die Wehr und der Ehre strenge Versühnung
danken sie dir, der aus der Tiefe stieg und Mal um Mal ihnen setzte,
nein, ob der Lande fern, wo ihre Sprache erklingt,
über die Meere hinweg, wo ihre Segel entschwinden,
überall dort, wo im Fremden säugen die Mütter der Deutschen
und Väter schlagen den Wald und frachten die Ernte,
überall auch, wo in kalten Tälern stumm mit den Ketten
rasseln die ärmsten der Brüder.
löste dein zeugendes Wort die verworrenen Herzen.
Gültiges Auge, blau, und erzene Schwerthand, dunkle Stimme du
und der Kinder getreuester Vater,
sieh, es stehen geschart über die Erdteile hin, Weib und Mann
in den Flammen der Seele heilig vereint,
eine endlose Kette, aufbruchumrauscht vor dem Morgen, den deine Schultern
allein aus den Klüften der Not über die Grate gehoben.
Hell in das Große hinein führt sie dein sicherer Schritt.
Was je der alten Kaiser weltweites Auge erträumt, mächtiger war
deine Tat, und in das Ährenmeer schreitet dein Volk der ewigen Säer
und Schnitter körnerumschwirrt und Herren wie einst, da sie den Zeiten
das Maß so wie heute bestimmen. Aber noch niemals ward solches Los
goldner gewährt als jetzt, Führer der Deutschen, seitdem du sie
geadelt!"
Ein weiterer Punkt, der mir die Augen über Heinrich Zillichs wirkliches Denken, diesmal in der Judenfrage öffnete, ist sein Brief vom 18. Januar 1980. Bevor ich den Beitrag "Judenverfolgung in Ungarn 1941-1944. Gewaltmaßnahmen gegen Juden im Spiegel der ungarndeutschen Presse" der Zeitschrift "Tribüne" in Frankfurt am Main anbot, versuchte ich es auch beim Hauskalender der Siebenbürger Sachsen in München und im "Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde". Aber beide Redaktionen lehnten eine Veröffentlichung ab. So wandte ich mich an den Schriftleiter der Südostdeutschen Vierteljahresblätter, Heinrich Zillich, den ich bis dato noch nicht richtig eingeschätzt hatte. Sein Antwortschreiben hätte ich mir ersparen können, wenn ich vorher die Auffassung des Historikers Johann Böhm gekannt hätte: "Diese Leute, mit dem Schriftsteller und Chefideologen der deutschen Mission im Südosten Europas, Heinrich Zillich, an der Spitze, regieren seit den fünfziger Jahren die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Die ganze Argumentation der 'Siebenbürgischen Zeitung' und der 'Südostdeutschen Vierteljahresblätter' unter Heinrich Zillich, ruhten auf dem Zusammenfluß von Relativierung und Nivellierung der NS-Verbrechen und der Aufhebung der Chronologie von Ursache und Wirkung".
Der Antwortbrief lautete: "Die Judenfrage ernsthaft zu betrachten und zu suchen, wodurch sie entstand und warum kein Volk die Juden mag, ist heute gefährlich ... Wer bemüht ist, hier die Wahrheit aufzudecken, kommt bald in Satans Küche... Zu den Ursachen der Judenfeindschaft dies: Als ich als rumänischer Leutnant 1919 gegen den Kommunismus Béla Kuns in Ungarn marschierte, stießen wir ständig auf erregte Menschen, die berichteten, die wüstesten roten Quälgeister seien Juden gewesen ... Der rote Terror weckte dann den weißen ... Was die Zahl von 6 Millionen umgebrachten Juden anbelangt, las ich schon 1968 verblüfft im 'Plötz', der wichtigsten deutschen Geschichtschronik, 27. Auflage, Seite 1537, die Zahl liege bei 5 700 000 ... Die Baseler Nachrichten schrieben einmal, es seien nur etwa 300 000 Getötete gewesen..."
In dem Artikel "Verschleppung von 80 000 Rumäniendeutschen am 11. Januar 1945 in die Sowjetunion" zeigt sich, wie Zillich die Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen aufarbeitet, ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf die Vorgeschichte dieses Unrechtes einzugehen.
Wieso wurden 80 000 Rumäniendeutsche in die Sowjetunion deportiert? Bevor die "wilden Horden" in unsere sächsischen Häuser in Siebenbürgen eindrangen, sind denn nicht schon Jahre zuvor SS-Sondereinheiten in die russischen, weißrussischen und ukrainischen Dörfer und Städte raubend, mordend und brandschatzend eingefallen? Wurden nicht bereits ab 1941 Russen, Weißrussen und Ukrainer, als "Ostarbeiter" nach Deutschland zwangsverschleppt, um in Rüstungsbetrieben, im Bergbau und in der Landwirtschaft zu schuften und massenweise zu sterben? Meist noch unter entwürdigenderen Umständen als Jahre danach die Deutschen aus Siebenbürgen und dem Banat! Zillich veröffentlichte das Gedicht einer Deportierten, das für sich spricht und nicht die geringste Spur von Einsicht erkennen läßt.
"Zehn Jahre sind vergangen, die wilden Horden drangen, in uns're Häuser
ein,
die Jugend zu verschleppen, in ihre öden Steppen. Kann noch ein
Gott im Himmel sein?...
Wir aber mußten fronen, da gab es kein Sich-Schonen, und Heimweh
uns zerriß...
Und wenn wir es erreichen, die Rechnung zu begleichen, sei das uns
ein Geschenk,
daß allen unsern Henkern ... ein Gleiches wird beschert."
Fragen sich die Landsleute denn nicht, wie es überhaupt dazu gekommen ist, daß die Rote Armee über die Karpaten vordrang? Und daß unsere Jugend und die jüngeren Männer in den Reihen der Waffen-SS bzw. der rumänischen Armee standen ... und mit der SS hatten die Russen nun wirklich keine guten Erfahrungen gemacht.
In die uneinsichtige Sicht unserer NS-Vergangenheit sind viele Rumäniendeutsche involviert. So berichtet Udo Wolfgang Acker über eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Südostdeutsche Volks- und Heimatforschung mit dem Thema "Die Deutschen in Rumänien zwischen 1918 und 1935": "Dem Außenstehenden, welchem die Ereignisse nicht aus eigenem erleben bekannt sind, fiel auf, daß besonders bei der Schilderung brisanter Themen, wie jenes der Erneuerungsbewegung, die Meinung derer fehlte, die ihr kritisch bis ablehnend gegenübergestanden hatten"... Desgleichen wäre angezeigt, daß sich die Referenten in der Wahl ihrer Ausdrücke Beschränkungen auferlegten, weil die Zeit, als man mit "Volksgenossin" und "Volksgenosse" begrüßt wurde, seit langem passé ist.
In Heft 2/1979 der SDVJBL, Seite 98-101, versucht es Arnold Weingärtner, ab 1938 Redakteur der Zeitschrift "Nation und Staat", mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Thema seines Aufsatzes "Die nationalsozialistische Versuchung im Südostdeutschtum". Weingärtner weist den Vorwurf zurück, die deutschen Volksgruppen in Südosteuropa hätten sich freimütig zum Deutschen Reich Hitlers bekannt, und fragt: "Waren tatsächlich die Siebenbürger Sachsen und alle anderen Deutschen in Südosteuropa Nazis?" Der Nationalsozialismus in Siebenbürgen sei nur eine Angelegenheit der Oberschichten in den Städten gewesen, in denen damals etwa 20 Prozent des siebenbürgisch-sächsischen Volkes lebten. Die Masse, also die Bauern, seien vom Nationalsozialismus kaum erfaßt worden, behauptet Weingärtner. Das mag teilweise für die Jahre bis 1940 zutreffen, danach aber gewiß nicht mehr. Die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei der Deutschen Volksgruppe in Rumänien" (NSDAP der DVR) war doch bis ins letzte Dorf mit ihren Untergliederungen fest vertreten und tief verankert: Kindergärten, Kinderhorte, Schulen aller Art, die Jugend ab dem zehnten Lebensjahr, Männer, Frauen und Mütter in NS-Organisationen - sie alle wurden stramm im NS-Geiste erzogen.
Weingärtner beschönigt mit vielen Halbwahrheiten die Tiefenwirkung des Nationalsozialismus gerade auch in Siebenbürgen und schiebt die Schuld der "radikalen Volksführung der letzten Tage" zu. Das ist falsch!
Nach bald fünfzig Jahren geht es nicht um irgendeine Schuldzuweisung, sondern um eine zeithistorische Aufarbeitung der Jahre 1933-1944 in Siebenbürgen und dem Banat. "Es wäre eine Aufgabe, auch der siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsforschung, diesen Dingen intensiver nachzugehen, und die Behauptung von der 'Verfallenheit' der Siebenbürger Sachsen und der anderen Deutschen an den Nationalsozialismus richtig zu stellen". Damit schließt Weingärtner seinen Aufsatz. (...)
Aus dem Text von Gustav Markus, "Die Deutsche Volksgruppenführung in Rumänien am 23. August 1944" erfahren wir, daß sich der Volksgruppenführer Andreas Schmidt offen für eine Abtrennung Siebenbürgens von Rumänien einsetzte. Siebenbürgen sollte danach mittelbar oder unmittelbar zum Reichsgebiet gemacht werden. Für sich forderte er die Ernennung zum "Höheren SS- und Polizeiführers" für Siebenbürgen.
Ehrungen, Gedenktage und Nachrufe
Aus der Vielzahl von namentlichen Ehrungen, Gedenktagen und Nachrufen, zumeist von Heinrich Zillich, hier ein winziger Ausschnitt.
Robert Gaßner, dem ehemaligen Gebietsführer von Nordsiebenbürgen wird zu seinem 60. und 70. Geburtstag würdigend von Heinrich Zillich gedacht sowie mit einem Nachruf anläßlich seines Todes 1990. Gaßner wird als "der Vater der großen Siedlung Drabenderhöhe" herausgestellt, der "auch heute seinem Volkstum noch wie ehedem in zahlreichen Ehrenämtern dient". So wurde Gaßner zum Vorsitzenden der "Gesellschaft Stephan Ludwig Roth für Pädagogik e.V." gewählt, "bringt Gaßner doch ... zum Politischen wie zur Zeit kein Zweiter die Voraussetzung für ergiebige Tätigkeit in dieses Amt mit". Zum 80. Geburtstag wurde Gaßner erneut ausgiebig gewürdigt und geehrt und dann natürlich zu seinem Tod 1990.
Wer aber war Robert Gaßner?
Zweifelsfrei war er auch all das, was in den zahlreichen Ehrungen, Würdigungen und Nachrufen gesagt und geschrieben wurde: Der "Vater" der Siebenbürger, soweit diese das so empfinden, der die Evakuierung in weiser Voraussicht geplant und durchgeführt hat. Viel Grund zum Dank, gewiß! Doch es kommt noch etwas dazu, das auch ausgesprochen werden muß, keineswegs anklagend.
Es soll und kann nicht bestritten werden, daß die Entnazifizierung überflüssiges Leid, ja eklatantes Unrecht mit sich gebracht hat, auch im Stile der alten Regel "Die Kleinen werden gehängt, die Großen läßt man laufen". Hier zeigt sich wieder einmal, daß sich das nationale Kollektiv der Hitleranhänger von gestern in der Demokratie so verhält, wie es seiner nazistischen Vorformung entspricht. Darum schreibt Kai Brettmann: "Die Siebenbürger Sachsen reden nicht gern über ihre Rolle im Nationalsozialismus", und Oliver Klöck und Norbert Wallet: "Auch Robert Gaßner hat geschwiegen .. auch über seinen eigenen fanatischen Glauben an die braune Ideologie ... Wenn ich Nationalsozialist bin, dann muß ich wissen, daß unser Führer Adolf Hitler vor und nach Christus der größte Führer ist. Ein Nationalsozialist muß sich klar darüber sein, daß der Führer am besten weiß, wann er mit seiner Hand zum letzten Schlage ausholen wird".
Auch hier setzt sich der Verlust der humanen Orientierung durch die tiefe Identifizierung mit den Wahnideen Hitlers weit über dessen physisches Ende hinaus fort. Dieser Verlust hat sich als das hartnäckigste Erbe entpuppt, das der NS-Staat und sein historisches Vorfeld hinterlassen hat. Die Betroffenen sind gekennzeichnet durch eine deutliche innere Spaltung, und zwar in eine privat human gebliebene, politisch aber antihumane Hälfte. Menschen, denen Hilfe für den Nächsten, für Verwandte, Nachbarn, Kranke und für seine Volksgruppe ebenso selbstverständlich war wie Mitleid, Fürsorge, Liebe - dieselben Menschen bekannten sich zur gleichen Zeit fanatisch zu politischen Gewaltideen, wie sie es in dieser Konsequenz zuvor nie gegeben hatte. Die Schuldabwehr nach 1945, wie sie sich in den kollektiven Affekten ausdrückt, hat diese Persönlichkeitsspaltung konserviert und damit auch den Verlust der humanen Orientierung.
Heinrich Zillich "ehrt" Hans Hartl zum 65. Lebensjahr mit folgendem Satz: "Die Bedeutung Hartels liegt auch im klaren politischen Instinkt, vor allem in seinem Wahrheitsmut". Wo aber blieb dies in den NS-Jahren und nach 1945?
Das in München erscheinende "Südost-Echo", Jg. 5, Nr. 7, befaßte sich mit einem Vortrag, den Klaus v. Bismarck auf dem Leipziger Kirchentag gehalten hat. Die Ausführungen des "Südost-Echos" sind betitelt: "Gefährliche Verirrungen" und damit bezeichnend für Geisteshaltung der Ewig-Gestrigen, die heute so tun, als seien die nationalsozialistischen Eroberer im Osten die zartesten Unschuldsknäblein gewesen. Es ist eine Geisteshaltung, die mit dem in der Bundesrepublik so liebevoll verhätschelten Neofaschismus und manchen anderen aus der gleichen Quelle stammenden rechtsradikalen Erscheinungen eng verwandt ist. Es entspricht vollends dieser Geisteshaltung, wenn das "Südost-Echo" den Abdruck einer begründeten Erwiderung auf die Angriffe gegen Klaus v. Bismarck abgelehnt hat und keine andere Meinung duldet als die, die dem verdrängten Schuldgefühl entspricht.
Ähnlich gelagert ist die Würdigung für Sepp Komanschek zum 60. Geburtstag von Hansjörg Kühn - ihn hat Hans Wolfram Hockl in "Offenheit hat überzeugt", S. 70ff, und "Offene Karten", Seite 110ff demaskiert. Den Generaldechanten von Nordsiebenbürgen, Dr. Carl Molitoris, hat der Verfasser in "Verwicklungen und Verstrickungen - Notwendige Ergänzungen zu einer Würdigung von Generaldechant Dr. Carl Molitoris" aufgelistet.
Eine Kritik an den "Würdigungen", "Ehrungen" und "Nachrufen" der Amtswalter aus Siebenbürgen und Banat ist damit noch längst nicht abgeschlossen - Dutzende von NS-Größen könnten folgen. Fazit: Erinnerungslücken unterschiedlicher Größe, verniedlichte und entschärfte Lebensläufe, verbogene Tatsachen. Leider ist es bei solchen Gelegenheiten fast üblich, daß entscheidende Passagen "vergessen" bzw. bewußt ausgeklammert werden, sehr zum Schaden der historischen Forschung und einer Aufarbeitung der Vergangenheit, die doch für alle nötig wäre.
[*] Anmerkung:
Quellenangaben, Anmerkungen und Fußnoten wurden weggelassen. Siehe
den vollständigen Text in: Halbjahresschrift für südosteuropäische
Geschichte, Literatur und Politik, 6. Jg., 1/1994, S. 30-38.
Am 15. und 16.2. 1975 fand in München im "Haus des deutschen Ostens" eine Tagung der "Arbeitsgemeinschaft für südostdeutsche Volks- und Heimatforschung" statt. Anwesend waren: Dr. Alfred Bonfert, Dr. Wolfram Bruckner, Fritz Friedrich Cloos, Dr. Alfred Csallner, Willi Depner, Edi Dürr, Nikolaus Engelmann, Hans Ewald Frauenhoffer, Oskar Hadbawnik, Franz Herbert, Hans Wolfram Hockl, Kaspar Hügel, Fritz Jasch, Anton Karl, Sepp Joseph Komanschek, Dr. Hans Walter Loew, Otto Parsch, Erhard Plesch, Sepp Josef Schmidt, Dr. Oskar Schuster, Dr. Anton Schwob, Michael Stocker, Viktor Stürmer und Dr. Heinrich Zillich.
Die Themen des ersten Tages waren rein politischer Art. Am Abend fand in einem Gasthof ein Kameradschaftsabend statt; er verlief bemerkenswert in Ton, Diktion und Niveau. Cloos eröffnete ihn mit einem entlarvenden Gag, Dürr und Komanschek würzten ihn mit Anekdoten aus ihrer Kampfzeit.
Alte Kameraden prahlen
Cloos: "Weiß Ferdl, der Münchner Kabarettist, der in der Nazizeit das Regime oft persifliert hat und oft im Gefängnis war, durfte nach dem Zusammenbruch wieder frei sprechen, freudig begrüßt von seinen Münchnern, unter denen sich aber auch viele Zuageroste befanden. Die erkannte er auf den ersten Blick und begrüßte sie dementsprechend. Seine Bayern begrüßte er natürlich mit Grüaß God, die Schlesier mit Gudn Tach- ja und dort, rief er freudig aus, wen sehe ich denn dort? Meine lieben Siebenbürger Sachsen! Aber die darf ich nicht mit Grüaß God begrüßen und nicht mit Gudn Tach, da käm ich bei ihnen schlecht an. Euch, meine lieben Siebenbürger Sachsen, euch muß ich anders begrüßen, nöt wahr? Heil Hitler!"
(Allgemeine Heiterkeit unter den Kameraden rings um die Tische, zerdeppert vom gellenden Gelächter des Erzählers.)
Alle Anekdoten der alten Kameraden anzuführen, ginge zu weit; doch die schönsten seien für die staunende Nachwelt hier festgehalten.
SS-Arzt operiert Juden mit glühenden Eisen
Der seltene Humor des Fritz Cloos: In seinem "Rundbrief", Dezember 1979, S. 37, schreibt er: "In dieser Zeit begab es sich, daß ein ehemaliger jüdischer Kommissar aus Odessa, der seit dem Fall jener Stadt inhaftiert war, ein schweres Hämorrhoidenleiden zu ertragen hatte. Nach verschiedenen Vermittlungen und Vorgesprächen mit seinen deutschen Lagerfreunden war der ehemalige SS-Oberstabsarzt Prof. Dr. Thalhammer bereit, einen operativen Eingriff vorzunehmen. Die Vorbereitungen sowohl technischer als auch vor allem psychologischer Natur wurden in Gang gesetzt. Der Jude aus Odessa mußte erst davon überzeugt werden, daß der ehemalige SS-Oberstabsarzt kein 'Judenfresser' war. Das überzeugendste Argument war der Hinweis, daß auch Gunne, Liebhart und andere friedliche Deutsche aus dem Lager Angehörige der Waffen-SS gewesen waren. Dann ging es an die technischen Vorbereitungen, und die gestalteten sich ebenfalls schwierig, weil die für eine Operation notwendigen Voraussetzungen denkbar kümmerlich waren. Es fehlte unter anderem an entsprechenden Narkotika und Sterilisationsmitteln. Kurzum, - als der Mann schon auf dem Operationstisch lag, stellte der Professor gegenüber seinem 'Assistenten' (dem Mühlenbauer Sami Liebhart aus Neppendorf bei Hermannstadt) bedauernd fest, daß leider noch ein zweiter Operationsgang später vorgenommen werden müßte, da ein unentbehrliches Instrument zur Durchführung eines einzigen Operationsganges nicht vorhanden sei. Der deutsch sprechende Jude war hellwach und verfolgte diese medizinischen Erörterungen. Der gute Landler Liebhart schlug -praktisch denkend, wie er nun einmal ist,- dem Professor vor, einen Schürhaken in der Feuersglut des Ofens zu desinfizieren und als Ersatz zu verwenden. Hier schaltete sich unser jüdischer Freund mit lautem Protest ein, in der Meinung, nun sei er doch in die Hände von SS-Schergen geraten. Mit Müh' und Not konnte dem fest angeschnallten Patienten die Notwendigkeit dieses einmaligen Eingriffes klargemacht werden, und so wurde er schließlich mit der 'Neppendorfer Methode' erfolgreich operiert."
Fritz Cloos erzählt diese Aktion mit strahlendem Vergnügen und abschließend gellendem Gelächter gern auf den Tagungen seiner "Forschergemeinschaft" vor alten Kameraden von gleichem Niveau.
Bonfert (Tierarzt): " Ihr kennt euch doch aus bei der künstlichen Besamung? Na nicht! Da war ich neulich bei einer Bäuerin - na nur bei ihrer Ziege! - da sagt sie: Herr Doktor, da ist die Ziege und dort an der Wand ist ein Nagel, da können Sie Ihre Hose aufhängen!"
Edi Dürr: "Heil Hitler!" 1975
Da sprang Edi Dürr auf und erzählte: "Kamerad Fritz hat mir mein Stichwort gegeben: Heil Hitler! Na nur! Wirr haben ja keine mehr bösen Gedanken! Asso im vorigen Sommer wollte ich nur wieder einmal alte Kameraden besuchen. Ich komme in der Stadt an, parke meinen Wagen, gehe ins Haus hinein, nur ein Kind ist da, der Vater im Büro, da soll man den Menschen nicht stören - na nur! -, die Mutter im Kindergarten, asso ich in den Kindergarten, lasse die Kameradin herausrufen, sie kommt - aber sie erkennt mich nicht! Da kommt mir eine Idee: Was? Sie wissen nicht, wer ich bin? - Sie schaut mich verlegen an. Was? Sie wissen wirklich nicht, wer ich bin? - Da wird sie noch mehr verlegen. Na sowas! Wir haben uns zwar schon lange nicht mehr geschaut, aber daß Sie mich, mich nicht mehr erkennen! Da wird sie rot wie ein junges Mädchen. Na warten Sie! Jetzt werden sie mich gleich erkennen: Heil Hitler! Da wird sie weiß wie die Wand. Ich aber breite die Arme aus: Na nur! Wilhelmine! Heil Hitler! Da hat sie gleich gewußt, wer ich bin."
(Großer Beifall. Und schon rissen einige Kameraden den Arm hoch. Sie hatten Anekdoten aus der Kampfzeit noch und noch auf Lager, aber Dürr ließ niemand so schnell zu Wort kommen.)
"Kameraden! Im Sommer 42, als die SS-Aktion begann, war ich in Bukarest in der Prüfungskommission. Aus diesem Rassenmischmasch sollte ich die rassisch Tauglichen herausgewinnen. Nur auf einmal schau ich eine Gestalt: klein, schwarz, gebogene Beine, herausstehende Backenknochen, gelbe Haut - mit einem Wort: ein Tatar. Na, Kamerad, sag ich zu ihm, wo bäste här? - Ech ben aus Hundertbücheln in Siebenbürgen, sagt er. (Leises Gelächter unter den Kameraden.) Na wie denn, Kamerad! sag ich. Bei euch ist auch einmal ein Tatar vorbeigekommen! - Ein wer? fragt er dumm. (Verstärktes Gelächter.) Na ein Tatar, Kamerad! In deiner Familie, Kamerad! - Ich bin ja nur vor einer Woche daheim gewesen, sagt er, da war kein Tatar dort! (Die Heiterkeit unter den Kameraden verstärkt sich.) Na nicht jetzt, Kamerad! sag ich. Früher einmal ist ein Tatar bei euch vorbeigekommen.- Nein, sagt er, Herr Untersturmführer, auch früher war kein Tatar bei uns! - Kamerad! sag ich, du verstehst mich nicht! Ganz früher einmal muß ein Tatar bei euch in der Familie gewesen sein, vielleicht so vor 200, 300 Jahren. - Da schaut er ganz dumm aus der Wäsche: Glauben Sie, Herr Untersturmführer? Na ja - na ja. Aber wie schaut so ein Tatar aus, Herr Untersturmführer? (Die Kameraden drohen zu platzen.) Na so wie du, Kamerad! (Und jetzt brüllen sie, die Herren.) Na so wie du, Kamerad!"
(Komanschek sprang auf, eilte ins volle Licht unter den Kandelaber, der aus mehreren Wagenrädern bestand, auf jedem Rad strahlten einige Glühbirnen und umrahmten sein Haupt wie ein riesiger Glorienschein. Ein Lächeln kringelte seine Lippen).
"Kameraden! Ihr kennt doch den Franz Besinger aus Temeschburg. Dem hab ich einmal einen schönen Streich gespielt! Im Winter 37 war ich als Redner für eine Abendversammlung in ein Dorf auf der Heide eingeteilt. Auf dem Bahnhof in Temeschburg treffe ich den Franz Besinger. Er dreht sich weg, weil er ja von der Volksgemeinschaft war und ich von der DVR, aber ich ihm nach und setz mich neben ihn. Warum auch nicht? Er ist mein Gegner - aber reden kann man doch miteinander. Aber der Franz ist stur und schaut mich nicht an. Na gut! Wir kommen in dem Dorf an, er steht auf, ich spring hinunter, da kommt mir ein Bauer entgegen: Grüß Gott, Herr Besinger! Bitte steigen Sie ein! - Ich mit einem Satz auf den Schlitten hinauf, die Füße in den warmen Pelzsack, und schon gehts dahin. Ich schau zurück, da rennt der Besinger hinterdrein und rennt und schreit. Schrei nur, Franz! Das Dorf ist einen Kilometer weit, ein klirrender Frost, aber lauf nur, dann wirds dir schon warm! - Ich sitze im Pelz da und unterhalte mich gemütlich mit dem Bauern. Warum auch nicht? Wir sind ja doch Kameraden! (Die Kameraden lachen leise.) Im Gasthof sind die Leute schon versammelt. Der Obmann der Volksgemeinschaft begrüßt mich: Grüß Gott, Herr Besinger! Und führt mich auf das Podium, der Saal war bumsvoll, die DVR hatte hier nur wenig Anhänger, die saßen irgendwo in einem Wirtshaus und warteten auf mich. Was aber tue ich? Ich trete vor die 300 Gegner hin und beginne meine Rede: Deutsche Männer und Frauen! Meine lieben Volksgenossen! - Da wird die Tür aufgerissen, der Besinger stürzt herein, hochrot vor Kälte, vor Wut, ich schalte blitzschnell und rufe in den Saal: Meine lieben Volksgenossen! Ein bedauerlicher Irrtum! Grüß Gott, Herr Besinger! Kamerad Besinger! Bitte, kommen Sie herauf! Ich weiß, Sie sind ein ausgezeichneter Redner, ich weiß, Sie werden genau dasselbe sagen, was ich gesagt hätte, wir stehen ja alle im Dienst für die Gemeinschaft, und wenn ich auch von der Gegenpartei bin, meine lieben deutschen Männer und Frauen, auf die Gesinnung kommt es an! - Da ruft einer von unten: Impertinenter Nazi! - Um es kurz zu machen, Kameraden! Ich hab in meinem Leben schon viele dumme Gesichter gesehen, aber so viele..."
(Dr. Alfred Bonfert rief: "Bravo Seppitschek!" Die Runde lachte dröhnend. Wohlgefällig zog der Erzähler die Mundwinkel hinauf, drehte sich im Kreise, die Krone des Kandelabers über dem Haupt.)
"Aber in Sathmar hab ich noch was Tolleres erlebt! Ihr wißt ja, die Schwaben in Sathmar waren schwarz bis auf die Knochen. Wir, die DVR, hatten dort kaum ein paar Anhänger, 95 % hielten zur Volksgemeinschaft. Und in einer dieser schwarzen Hochburgen sollte ich eine Volksversammlung abhalten. Na gut! Ich bin noch immer mit jeder Situation fertiggeworden. Ich komme an, frage, wo der Ortsgruppenführer der DVR wohnt, ich frag den zweiten, den dritten, niemand weiß etwas von einer DVR. Ich gehe in den Gasthof - und was erfahre ich? Hier soll am Nachmittag eine Versammlung der Volksgemeinschaft stattfinden, und der Wirt selber ist der Obmann. Ich rufe die Magd, sag ihr, daß ich der Redner der Volksgemeinschaft bin, daß ich aber schon in zwei Stunden weitermuß, die Versammlung muß also um zwei Stunden vorverlegt werden. Lauf schnell von Haus zu Haus, sag ich zu ihr, kriegst ein schönes Trinkgeld von mir, sag den Leuten, sie sollen sofort kommen, der Herr Redner wartet schon! - Sie rennt los, und während ich in aller Gemütsruhe mein Mittagessen verzehre, sehe ich durchs Fenster, wie meine Magd, die brave, mit fliegenden Zöpfen durch die Gassen eilt, und schon kommen die Leute in Scharen herbei. Das nennt man Gefolgschaft! Vor Neid hätte ich erblassen können. Da tippt mich jemand an die Schulter - und wer steht vor mir? Der Wirt! Sie! Sagt er, Sie sind der Redner der Volksgemeinschaft? - Jawohl, sag ich, der bin ich! - Aber die Versammlung ist erst für zwei Uhr angesagt, meint er. - Herr Obmann, sag ich, ich muß... Ich weiß, unterbricht er mich, bitte, kommen Sie! - Er führt mich in den Saal, der ist gerammelt voll, er geht aufs Podium hinauf und winkt mich neben sich und sagt: Liebe Leut! Schaut euch den Herrn da gut an! Wißt ihr, wer das ist? Ich hab ihn selber gefragt, wer er ist. Und was hat er gesagt? Ich bin der Redner der Volksgemeinschaft, hat er gesagt. Aber der Redner der Volksgemeinschaft ist der Herr Brendli. Bitte, Herr Brendli! - Ein stattlicher Herr in blonder Lockenfülle kommt auf die Bühne. Atemlose Spannung im Saal. Herr Brendli hebt die Hände, ein orkanartiger Jubel begrüßt ihn. Und ich? Da steh ich, blamiert wie noch nie. Aber ihr kennt mich ja, Kameraden! Herr Obmann! Rufe ich, so war es ja gar net gemeint! - Was? fährt er mich an, Sie haben die Frechheit und sagen, Sie sind der Redner der Volksgemeinschaft? Sie sind der größte Nazi, Sie! Ich gebe nur einen Wink, und das Volk zeigt Ihnen, was es von einem solchen deutschen Mann hält! Halt! Wartet noch! hebt er abwehrend die Hände gegen das andrängende Volk. Aber Sie! geht er auf mich los. Wissen Sie, wer Sie sind? Ein Antichrist! - Das war natürlich in Sathmar so gut wie ein Befehl zur Vernichtung. Ich mit einem Satz hinunter, zur Tür, da steht die Wirtin, da steht die Magd. Mein Herr, sagt die Wirtin, für das Essen zahlen Sie nichts, das schenk ich Ihnen, Sie armer Teufel! - Ich greif in die Tasche, will der Magd ihr ehrlich verdientes Trinkgeld geben, da sagt sie verächtlich: Von Ihnen hol ich net amal a Trinkgeld an! - Jawohl, Kameraden, so haben wir uns bewähren müssen!"
(Aber jetzt schwiegen die alten Kameraden betreten.)
"Das waren noch Zeiten! Und damit wir sie nicht vergessen, Kameraden, hab ich diese Anekdoten aus unserer Kampfzeit erzählt. Aber jetzt noch eine aus Berlin! Sie beweist, wie wir uns auch dort mit allen Mitteln schlagen mußten, bis wir endgültig oben waren. Ihr könnt euch doch erinnern, als die Frau von Cohler..."
(Fritz Cloos unterbrach den Erzähler: "Die? Die hat von Himmler den Auftrag gehabt, Madame Lupescu bei König Carol II. auszustechen und sich an ihren Platz zu legen, aber bei der Lupoica hat sie keine Chance gehabt, die ehrenwerte Frau von Cohler!"
"... als die VOMI durch Frau von Cohler unseren Streit beilegen wollte, daß ich es war, der die offene Rebellion wagte und daß ich dafür in Acht und Bann getan wurde. Mit der schwersten Strafe, die einen Volksdeutschen treffen konnte, wurde ich belegt! Konsul Rodde verweigerte mir das deutsche Visum! Und ich mußte doch nach Berlin, um dort vorzustoßen und die Sache in unserem Sinne zu klären. Ich war ja nicht umsonst in die Berliner Schule gegangen. Köppchen, Köppchen! Ich fuhr also nach Prag zu einer Landwirtschaftsmesse, dazu brauchte man kein deutsches Visum. Dort ging ich zum deutschen Konsul: Herr Konsul! Ich bin der und der. Meine Frau ist Berlinerin, unser Kind ist schwer krank, ich muß dringend hin! - Natürlich war meine Frau in Rumänien, die Kinder auch, alle pumperlgesund. Er gab mir das Visum. Ich sofort nach Berlin, zu den Schwiegereltern, hol mir meine Uniform aus dem Schrank, rufe beim SS-Hauptamt an, verlange Obergruppenführer Berger. Heil Hitler! Obergruppenführer! Ich muß Sie in einer dringenden Angelegenheit besuchen! - Ihr kennt ihn ja: Er tobt gleich los. Was? Was? Sie wagen es, das Verbot zu umgehen? Fahren Sie sofort nach Kronstadt zurück! - Bitte melden Sie mich bei ihm an, es ist eine äußerst dringende und wichtige Sache! - Da hör ich ihn nebenan schon toben: Hinaus mit dem frechen Kerl! - Ich wie der Blitz hinein: Heil Hitler, Obergruppenführer! Parteigenosse SA-Untersturmführer Komanschek meldet sich zur Stelle! - Das Gesicht hättet ihr sehen sollen! - Was? Sie sind SA-Untersturmführer? - Jawoll, Obergruppenführer! - Alter Parteigenosse? - Jawoll, Obergruppenführer! - Mensch, Komanschek! - Jawoll, Obergruppenführer! - Mensch, Komanschek, setzen Sie sich! - Ich schilderte Berger die Lage und die Sache nahm die gewünschte Wendung. So ist das gewesen! Kameraden, ich kann euch sagen, das war der schönste Sieg meines Lebens!"
Diese Taten wurden von unreifen Menschen vollbracht - von Männern im reifsten Alter als Heldentaten zum besten gegeben. Nach Bismarck ist ein Esel, wer mit fünfzig noch so denkt wie mit zwanzig.
Zu den Erschießungen in Hatzfeld
Am 16. 2. 1975 ging es laut Programm um drei konkrete Ereignisse: 1. um die Hintergründe der Erschießung von sieben Deutschen in Hatzfeld; 2. um den mysteriösen Tod des Hans Blaßmann in der Banatia, Temeschwar; 3. um die Verhaftung des Karl Bohn durch die Volksgruppenführung.
In Anbetracht der zu erwartenden brisanten Aussagen hatte ich mein Tonbandgerät mitgebracht und ließ es laufen. Sepp Josef Schmidt wollte es mir verbieten. Es genüge, meinte er, ein offizielles Gerät. (Dieses Gerät wurde von Franz Herbert bedient.)
Was zu den oben angeführten drei Fragen ausgesagt wurde, wird entweder wörtlich laut Tonband oder wegen den Filibusterrednern Schmidt und Dürr gekürzt wiedergegeben.
Ich: "Um den 10. September 1944 herum wurden in Lenauheim die ersten Männer verhaftet. Am Mittwoch, dem 13., fuhren wir, mein Schwager und ich, mit einem Pferdewagen nach Marienfeld. Am Abend begegnete uns ein zweiter Wagen: eine junge Frau mit zwei Kindern und ihrer Mutter. Es war die Familie des Stabsführers Andreas Rührig. Sie baten uns, ihnen über die Grenze zu helfen. Auf dem Wagen hatten sie einige Säcke mit Mehl und Kartoffeln, Schmalzkübel, Daunendecken usw. Das alles wollten sie über die Grenze mitnehmen! Nach Einbruch der Dunkelheit faßte uns die Gendarmerie. Wir befreiten uns auf die landesübliche Art mit etwa 100 000 Lei. Vor Mitternacht versuchten wir es wieder, wurden diesmal von Grenzern geschnappt und am nächsten Tag mit noch einem dritten Wagen abtransportiert. Auf illegalen Grenzübertritt stand die Todesstrafe. M.S. und ich saßen gefesselt auf dem ersten Wagen, den unser Schwiegervater lenkte. Es gelang mir, unbemerkt meine und M.S.' Fesseln zu lösen. Wir sprangen in ein schmales Maisfeld und liefen um unser Leben. Rechts und links waren Stoppelfelder. Zwei Grenzer liefen auf gleicher Höhe mit und schossen auf uns, bis ihre Magazine leer waren. Wir überwanden den tiefen Grenzgraben mit letzter Kraft. Drüben fielen mich zwei Grenzer an, der von hinten schlug mich mit dem Gewehrkolben nieder, und während ich bewußtlos ins teure Vaterland zurückgeschleppt wurde, rannte M.S. drüben in Jugoslawien in die Freiheit. Unser Schwiegervater, Frau Rührig, ihre Mutter und noch etwa vier andere Gefangene hatten von der Höhe ihrer Wagen wie aus der Loge unseren Wettlauf mit dem Tod verfolgt. In Komlosch sah mich der Hauptmann bedenklich an und ließ mich von einem Sanitäter verbinden. Es war der gleiche Offizier, der mich vor vier Jahren in Komlosch verhört hatte. Ratlos telefonierte er bis in den späten nachmittag hinein. Das war unsere Rettung. Denn als wir am Abend vor Hatzfeld anlangten, begann an der Grenze ein Feuerzauber wie an der Front. In Hatzfeld flüchtete unsere Bewachung. Es war 10 Uhr. Ich war durch die Gewehrkolbenschläge und Bajonette schwer verwundet, ging sofort zu einem Arzt. Er gab mir Injektionen und legte mir einen dicken Kopfverband an. Dann fuhr ich mit meinem Schwiegervater und anderen Lenauheimern, darunter Walter Ries und Nikolaus Schreyer, nach Lenauheim. Sie waren auch in Komlosch verhaftet worden. M.S. kam am nächsten Tag heim und brachte von Stabsführer Rührig, der mit der Kampfgruppe Behrends in Hatzfeld eingerückt war, den Befehl zur Flucht der Bevölkerung. M.S. und ich versuchten das Entsetzen unserer Landsleute, des ganzen Dorfes, einzudämmen und zu helfen. In den Feldern lagen rumänische Grenzer und beschossen das Dorf mit Granatwerfern. Ein paar SS-Männer kamen von Hatzfeld nach Lenauheim. Ich patrouillierte mit ihnen in der Nacht vom 15. auf den 16. ums Dorf herum. Am Samstag, dem 16., fuhr der Lenauheimer Treck ab, etwa 300 Pferdewagen und 20 Traktoren. M.S. und ich fuhren als letzte am späten Nachmittag mit den Fahrrädern nach Hatzfeld und meldeten uns pflichtbewußt zum Heimatschutz.
In Hatzfeld munkelte man von Erschießungen deutscher Männer. Am Sonntag, dem 17., traf ich Rudolf Ferch auf der Straße. Er fragte mich, ob ich schon gehört hätte, daß in der Nacht fünf oder sechs Deutsche erschossen worden wären. Als ich später M.S. traf und es ihm sagte, fiel ihm ein, daß ein hoher Amtswalter ihm am Freitag in der Früh, als er, M.S., von Großkikinda kommend, durch Hatzfeld gekommen war, auf der Straße gesagt hatte: 'Da sind so einige Miesmacher, die werden liquidiert.' Wir sprachen nicht weiter darüber. Wir hatten andere Sorgen. Wo waren unsere Familien? Waren sie gut durch das Partisanengebiet gekommen? Als M.S. einige Tage später in einer Versammlung im Saal des Bauernvereins von Kreisleiter Komanschek zum provisorischen Kreisleiter Bergstraße, Reschitza, anstelle des nicht mehr erreichbaren Kreisleiters Fritz Cloos ernannt wurde mit dem Auftrag, sich dorthin, also hinter die Front, zu begeben, fuhren wir mit der Bahn nach Tschesterek zur Schwester unseres Schwiegervaters. Dort hatte der Lenauheimer Treck vor einer Woche übernachtet und war weitergefahren, um bei Titel die Theiß zu übersetzen. Da nun unsere Familien längst drüben sein mußten, waren wir beruhigt und fuhren nach Werschetz. Ein Weiterkommen ins rumänische Banat schien unmöglich, denn die Stadt war von Partisanen umlagert. Ich kehrte nach Hatzfeld zurück, M.S. blieb in Werschetz, um seinen Auftrag zu erfüllen. So geriet er dort in die Kämpfe, bei denen sein Freund Matz Mischung und einige Burschen seiner Gruppe ums Leben kamen. Ihm gelang es mit Glück, sich durch die Kampflinien nach Lenauheim durchzuschlagen. Von dann an war er ohne Nachricht über seine Familie, und wir wußten nichts mehr von ihm.
Zurück in Hatzfeld: Komanschek sagt, Ferch sei Ortskommandant gewesen, aber nur vom 15. bis 17. September, dann habe Rührig ihn abgesetzt und Hansjörg Kühn ernannt, aber auch Kühn sei nach einigen Tagen ersetzt worden, weil die Angehörigen der Erschossenen ihn im Büro bedrängten. Er, Komanschek, war am 15. und 16. noch nicht in Hatzfeld, darüber gibt sein Tagebuch schlüssige Auskunft.
Ich zitiere jetzt aus einem Artikel von Prof. Thomas Breier aus dem 'Neuen Weg' vom 21. 9. 1974: 'Mathias Schmidt und Genossen. Vor 30 Jahren wurden die sieben antifaschistischen Kämpfer erschossen. Die Antifaschisten waren nicht kleinzukriegen. Selbst das persönliche Auftreten der NS-Spitzenfunktionäre, wie Volksgruppenführer Andreas Schmidt, Stabsführer Andreas Rührig und Inspektor Frauenhoffer hatte nicht die gewünschte Wirkung: Paul Martin mußte in seiner 1943 erschienenen, im Nazigeist verfaßten Ortsmonographie feststellen: 'Es finden sich noch immer Deutsche in Hatzfeld, die den Ruf der Zeit nicht verstehen wollen...' Am 14. September 1944 um 21.45 Uhr drangen Truppenteile der 4. Motorisierten SS-Division Prinz Eugen und der Division Hindenburg (soll heißen Brandenburg) in die Stadt ein (General Dumitru Popescu: La Portile Timisorii, Seite 33). Die Stärke der beiden Verbände betrug etwa 200 bis 300 Mann und acht Panzer. Hinzu kamen noch vereinzelte Angehörige der Luftwaffe, Marine und Pioniere, SS-Leute, die aus dem Urlaub zurückkehrten und von Jugoslawien hierher beordert waren. Die führenden Offiziere waren Hauptmann Schmidt und Leutnant Maninger, als Ortskommandant wurde Dr. Anwender eingesetzt... In Jimbolia (Hatzfeld) wurde ein Evakuierungskommando unter Leitung von Stabsführer Andreas Rührig, Christoph Hunyar u.a. Volksgruppenführer gebildet und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet. Neben Rührig und Hunyar waren es vor allem Josef Mangold und Mathias Strung, Gestapo-Agent aus Jugoslawien (Temesvarer Zeitung, 12. 4. 1945; Heinrich Simonis: Gespenstergang durch die Zeit, 1946, S. 24). Eine der ersten Aktionen der zurückgekehrten Volksgruppenpotentaten war die Liquidierung der antifaschistischen Aktionsgruppe. Wenn es wahrscheinlich auch nie vollständig aufgeklärt wird, wer die Mordschützen waren, so steht doch fest, daß die Initiatoren zweifellos örtliche Nazibonzen waren. Als erster fiel Mathias Schmidt. Nach Angaben seiner noch lebenden Tochter waren es SS-Offiziere oder Unteroffiziere, die am 15. September um halb vier in der Nacht mit Gewehrkolben an der Tür polterten, nachdem das Haus bereits umstellt war. Schmidt versuchte durch das Fenster zu flüchten, wobei ihn ein Schuß ins Knie traf. Drei weitere Kugeln zerfetzten Lunge und Nieren, wonach sich zwei Mitglieder des Kommandos auf den Schwerverwundeten stürzten und ihn durch Bajonettstiche töteten. Johann Lehoczky wurde gleichfalls in seiner Wohnung im Futok-Viertel von einem Kommando, bestehend aus 5 SS-Männern und HJ-lern, überrascht. Er flüchtete sich hinter den Backofen, so daß die erste Handgranate, die man ins Zimmer warf, ihn nicht verletzte. Erst die zweite Granate, die direkt auf dem Ofen explodierte, verletzte ihn. Es gelang ihm jedoch noch, in den Garten zu flüchten, wo er unter den Feuerstößen der Maschinenpistolen tot zusammenbrach. Ein anderes Rollkommando nahm inzwischen Johann Keller, Ferdinand Koch, Johann Farle, Nikolaus Petri und Peter Höfler gleichfalls in ihren Wohnungen fest und brachte sie ins Gemeindehaus. Der Wunsch der Frauen und Kinder, die Verhafteten besuchen zu dürfen, wurde schroff abgewiesen, schließlich gestattete man jedoch, daß ihnen Lebensmittel gebracht werden. Am nachmittag brachte man die fünf Widerstandskämpfer in einem Auto hinter die Pannonia-Mühle. Hier zwang man sie, sich selber die Gräber auszuheben und noch während der Arbeit wurden sie hinterrücks erschossen. Man verscharrte sie sofort, und zwar so oberflächlich, daß die Leichen nicht einmal ganz mit Erde bedeckt waren."
Die entscheidende Aussage
Hans Ewald Frauenhoffer: "Ich war beim Einmarsch und bin mit der Gruppe Anwender, die aus Urlaubern und diesen Kindern da zusammengestellt war, die da zusammengezogen worden sind..." (Zwischenfrage von Cloos: "Unter Ferch?") "Nein! Hat mit Ferch nichts zu tun! Und die sind - in Kikinda haben die erst schießen gelernt und haben dann die Uniform verzapft gekriegt, die haben ja alle keine Ahnung gehabt vom Militär. Wir sind über Ostern (ein Dorf) und so weiter Gertianosch einmarschiert, ich war also, was ich damit sagen will, vom ersten Tag des Einmarsches dort." (Cloos: "In Hatzfeld?" Ein anderer: "Nein!") "In Kikinda und nach dem Einmarsch in Hatzfeld. Und nach der weiteren Entwicklung, da über die Schwierigkeiten bei der Evakuierung und so weiter, das heut zu behandeln hat keinen Zweck, denn soweit ich weiß, hat sich die Forschungsgemeinschaft schon zwei ganze Tage damit beschäftigt (Cloos: "Ja!") und ist noch nicht fertig, also werden wir jetzt in einer halben Stunde auch nicht fertig. Ich möchte deshalb das Thema zurückführen, was eigentlich der Zweck der Sache gewesen wäre, da zu den Hocklischen, von den Erschießungen bis jetzt und von Bohn. Ich bedauere, daß der Fall Blaßmann nicht auch gleich mit erledigt worden ist (Cloos: "Den können wir gleich nachher anschließen!"), das hätt mr dann gleich mit dazu Stellung nehmen können. (Cloos: "Da ist auch eine Aussprache vorbereitet!") Jetzt - trotzdem ich vom ersten Tag dort war und trotzdem ich nachher, als Rührig und Edi Dürr und Komanschek abgezogen sind und ich die Volksgruppenführung dann dort übernommen habe und bis zum letzten Tag dort war, wir hatten Verbindung mit der Division, wenn ich mich richtig erinnere, hat der Schmedes geheißen (Cloos: "SS-Korps...", Sepp Josef Schmidt: "4. SS-Polizei-Division!"), der, der Kommandeur, und der hat mich ja dann noch rechtzeitig verständigt, sie sind am Rückzug und sie sind dort und dort und es ist Zeit dafür, daß wir hier abschließen - asso diese Dinge sind, sind am Rande. Ich war also bis zum Ende da. Und ich kann hier und in jedem Kreis, der von mir verlangt wird, und in jeder Form, wie sie von mir verlangt wird, erklären, daß ich von diesen Erschießungen nichts gewußt habe. (Pause.) Trotzdem ich sie (Pause), auch Dürrs Aussage, was auch Rührig hier bestätigt hat, daß erschossen worden sind, und was mich sehr beeindruckt hat, die Sache von Heier oder Breier oder wie er heißt (Ich: "Professor Breier!"), der ja da sehr kleine detaillierte Sachen bringt und von dem man annehmen kann, daß er sich der Sache auch gewidmet hat und die keine Spitze hat, also keine Tendenz enthält, der Überzeugung bin, daß diese Erschießungen tatsächlich stattgefunden haben. Ich hab eigentlich in Ulm (1974) das erstemal gehört, daß das eine ernste Sache ist. Ich hab bisher immer gesagt: Ich glaub das nicht! Wer soll denn dort geschossen haben?! Dort hat doch gar niemand die Möglichkeit gehabt zu schießen! Wer soll denn dort geschossen haben?! Und noch dazu an - in der Nacht des Einmarsches! Diese Dinge, daß dort wirklich erschossen worden sind, und zwar in der Nacht des Einmarsches, die kriegen erst ein gewisses Gewicht, wenn - (Gemurmel und Gerede) - durch die rumänische Sache, daß es Leute von da waren, die gewußt haben, wo die überhaupt sind, denn die Leute, die von Kikinda einmarschiert sind, hätten ja gar nicht gewußt, wo die sitzen und wo sie hingehen sollen, um die Leute zu erschießen. Und diese Sache, daß es Leute von dort waren, möglicherweise jemanden gehabt haben, der sie dazu animiert hat, die geben der Entwicklung doch ein gewisses Gewicht, das uns bedenklich (Protestgemurmel) machen muß. Es ist, auch wenn es nicht von Ferch, und wenn es nicht auf Anordnung von Rührig, und es ist, auch wenn ich nichts davon gewußt habe, eine Sache, die im Ausfluß einer Politik, die vorher dort stattgefunden hat, durchgeführt worden ist. Es ist eine Sache, die die Volksgruppe - ob direkt oder indirekt - irgendwie sind wir an diesen Dingen mitverantwortlich, auch wenn ein ganz Untergeordneter dort war, der das geleitet hat, irgendein NAF-Mann von Hatzfeld, der die Leute gekannt hat, der persönliche Abrechnung gemacht hat, oder - meinetwegen der Ferch Rudi, oder irgendwer immer, der die dort geleitet hat - es war einer von der Volksgruppe, es war einer von der Organisation, für die wir die Verantwortung nicht einfach ablegen können oder ableugnen können. Und daß uns die Leute dafür zur Verantwortung ziehen, wie ja der Stürmer richtig feststellt, das ist, das ist auch dann oder wäre auch dann möglich oder gegeben, wenn dort auch kein kommunistisches Regime wäre!" (Stürmer: "Ja, aber wieviele Gegner der Kommunisten beim Einmarsch der Russen erschossen wurden auf der ganzen Linie!") "Ja, gut, gut! Das hat aber mit der Sache - das ist aber eine andere Frage. Es gibt noch verschiedene andere Sachen, man muß nicht die Erschießung der Russen - na und jetzt diese Angelegenheit hier. Ich hab eine Frage an Edi Dürr: Weißt du, woher Rührig gewußt hat, daß der Ferch dort erschossen hätte?" Dürr: "Nein!" "Und noch eine Feststellung: Der Mangold ist falsch in diesem Bericht!" (Im Artikel des Thomas Breier aus Hatzfeld.)
"Das soll noch diskutiert werden!"
Michael Stocker, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben in der Bundesrepublik Deutschland: "Darf ich unterbrechen? Ich bitte das nachher zu diskutieren oder später mal auszuwerten! Eine solche Konsequenz, wie du jetzt angedeutet hast, ist meiner Meinung nach außerordentlich bedenklich! Daß man jetzt sagt, wir sind für alles, was eine solche Zeit, äh die jede - (jemand sagt: "Emotion!") - alle Emotionen, jede, jede normale sittliche Bremse gelockert hat, bei jungen Leuten zu sagen, äh, jetzt müssen wir sagen: dafür sind wir verantwortlich...(Frauenhoffer unterbricht: "Mitverantwortlich!") ... mitverantwortlich - das ist, meine ich, dürfte also nicht so im Raume bleiben! Der Stürmer hat richtig gesagt, man muß das alles in die ganze Zeit hineindenken. Wenn man weiß, wieviele junge Leute damals, auch ältere, aus diesem, diesem, diesem äh Wirrwarr und einer völligen Auflösung zur Pistole gegriffen haben und völlig sinnlos Menschen umgeschossen haben - ich habs, glaub ich, in diesem Kreis schon erzählt, der Landsmann Schweitzer, der bei der Waffen-SS war, der sagt, ich kann nicht umhin, wir hatten bei unserer Waffen-SS-Einheit einen Russen, als Hiwi (Hilfswilliger), der hat uns die Schuhe geputzt, der hat uns also versorgt, ein halbes Jahr lang ist der wie ein Hundert mit unserer Einheit mitgelaufen, und bei irgendeiner völlig harmlosen Gelegenheit hat ein Kamerad von uns den beim Marsch einfach aufs Korn genommen und erschossen. Das sind doch die Dinge, die sich in der damaligen Zeit, in den damaligen Verhältnissen zugetragen haben, und wenn ich mir jetzt aus dem, was gesagt wurde, ein Urteil bilde, dann warens eben, äh, - alle sagen, die jungen Leute - nicht wahr? Es kann durchaus jemand gewesen sein, der also aufgehetzt, in der Kriegspsychose gesagt hat, das waren hier diejenigen, die also unser Vaterland verlassen, den Führer verraten und das Deutschtum verraten haben, die also bekannt waren als diejenigen, die müssen wir jetzt zur höheren Ehre Gottes oder der Bewegung oder, oder weiß Gott aus welchen Gründen, äh -, die müssen wir umlegen!" (Zwischenruf: "Das kann ja auch eine ganz lokale Sache gewesen sein!") "Ja!" (Mehrere Stimmen: "Ja!", "Ja!" "Alles Blödsinn!" Fritz Jasch: "Blödsinn!") Stocker: "Ich wollte also nur dieses..." Frauenhoffer: "Ich..." Jasch: "Bitte die Rednerliste einhalten!" Dr.: Hans Walter Loew, Vorsitzender der Tagung: "Jaja, der Ewald!"
"Wir sind an diesen Dingen mitverantwortlich!"
Frauenhoffer: "Ich bin noch nicht fertig!" Stocker: "Entschuldig - das Wort - noch gleich..." (Allgemeiner Tumult.) Frauenhoffer: "... und zwar, daß dies absolut im Raum besteht, das behandelt werden kann, man kann auch darüber verschiedener Meinung sein, gell? Ich hab noch zu Mangold etwas zu sagen: der Mangold ist hier ganz fehl, der hat mit Hatzfeld nichts zu tun. Ich will zum Stocker, nachdem man mich schon dazwischen - ich bin nicht ganz deiner Meinung, trotzdem sie..." Wird von Stocker unterbrochen: "Ich wollte nur sagen, das soll noch diskutiert werden!" Frauenhoffer: "... trotzdem sie mich treffen würde, gell, sie wurde mich in vornehmlichstem Maße treffen, denn ich war dort - Volksgruppenführer gewissermaßen, ich hab die Volksgruppenführung repräsentiert, ich hab einen schriftlichen Auftrag von Andreas Schmidt gehabt, dort die Volksgruppe zu übernehmen - die anderen haben ganz andere Aufgaben gehabt..." (Zwischenruf: "Eben!") "der hat Zivilverwaltung gemacht..." Sepp Josef Komanschek: "Eben!" "die haben militärische Dinge gemacht, ich hab dort - die Volksgruppe und Evakuierung war mein Auftrag - über dieses Thema, warum Evakuierung, bin ich auch mit dem Andreas Rührig ein wenig übereinandergekommen, weil er meiner Meinung nach zu viel und zu lange Militär gespielt hat, statts gleich mit der Evakuierung anzufangen. Mit der Evakuierung haben wir sowieso so viele Schwierigkeiten gehabt damit, daß wir dann nachher nicht mehr fertig geworden sind damit. Das nur am Rande, das nur am Rande gesagt. Aber so -ich weiß nicht - ob wir das so einfach (mit bewegter Stimme) - ob wir das so einfach abschütteln können." (Zwischenruf: "A!") "Das geht nicht! Wir können - wir können nicht..." Wird unterbrochen. Die Protestrufe im allgemeinen Tumult sind im einzelnen nicht zu verstehen. Frauenhoffer verschafft sich endlich wieder Gehör. Erregt: "Und wenn es der Ferch war, dann erst recht nicht!" Erneuter Tumult mit unverständlichen Zwischenrufen. Dann wieder Frauenhoffer erregt: "Der Ferch war Hauptabteilungsleiter!"
Nach diesen Worten trat Ruhe ein.
"21 Gefangene niedergeknallt"
Dr. Loew: "Herr Dr. Zillich hat das Wort!"
Zillich: "Nehmen wir die militärischen Verhältnisse! Wenn ein Kommandeur oder auch nur ein Kompanieführer - der hat doch immer, in jeder Kompanie - ich habs doch hundertmal selbst erlebt!- ein, zwei üble Kerle, die etwas anstellen. Für den bin ich doch nicht unbedingt verantwortlich, den bring ich doch zur Bestrafung selbstverständlich, und hab als Kompanieführer die Möglichkeit dazu. Aber mich selbst dafür schuldig zu erklären, das ist..." (Stimmengewirr, im einzelnen nicht zu verstehen.) "Ich glaube auch. Ich hab einmal einen Soldaten erlebt, noch bei den Kaiserjägern, noch in einer ganz anderen Zeit, ein wohlachtbarer Mann, mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille - der hat 21 Italiener niedergeknallt - Gefangene! Wir waren in einer scheußlichen Lage, wir haben den Mann gerne gehabt und so weiter. Wir haben ihn zum Kriegsgericht gebracht, wir haben ihm glänzende Zeugnisse gegeben, er ist also nicht erschossen worden, aber er hat ein - ich weiß nicht, wieviel Jahre er bekommen hat." (Gemurmel.) "Aber das ist - Strafe - Kompanie."
Aus: Hans Wolfram Hockl: Offene Karten. Dokumente zur Geschichte der Deutschen in Rumänien. 1930-1980, Linz 1980, S. 54-67.
Reaktionen von Heinrich Zillich, Friedrich Cloos, Dr. Walter Loew, Viktor Stürmer u.a. auf die Streitschrift Hockls
In einer Reaktion auf das Hockl-Buch ("eine Schmähschrift" "voll kreischender Zwischentitel", "ein Durcheinander von Spießerei, Scheelsucht, Lüge und Anmaßung") bezeichnet Heinrich Zillich den Verfasser abfällig als "geistig Kranken" und "Moraltante", die einen unerwarteten "Jaucheguß des Übelwollens" ausgießt. "Wer mich kenne", fährt Zillich mit einem Zitat aus einem Brief eines Universitätslehrers fort, "glaube von Hockls Anwürfen keine Wort". Daraus schlußfolgert er: "Tatsächlich, wie er mich darstellt, ist durchwegs falsch.". Auf die Frage "wieso" antwortet Zillich mit weiteren Invektiven, die darin gipfeln, Hockl als einen "selbstgerechten Gefallsüchtigen" und "krankhaften Zeterer" zu bezeichnen, der ihm gegenüber eine "Abneigung" aus "Gekränktheit entwickelte", "weil ich nicht alles drucken ließ, was er mir schickte; ich konnte seine Verfolgungssucht nicht blind unterstützen, doch tat ich ihm nie etwas zuleide, sondern bedauerte ihn, den körperlich Behinderten - dessen Erzählungen und Verse ich hier nicht behandle, obwohl ich ahne, er hält sich für den Goethe der Donauschwaben".
Zillich greift auch den früheren Banater Abgeordneten Dr. Franz Kräuter (ein katholischer Kritiker der Nazis) an, dessen Memoiren er als "Wahnsinnsbuch" eines "Unzurechnungsfähigen" beschreibt, weil er "kurz vor dem Tod viele seiner Landsleute erfundenere Schandtaten bezichtigte". "Es spricht nicht für Hockls Anstand, daß er Blödsinn [Kräuters] nachschwätzt."
Zillich versucht auch die Hocklsche Interpretation seines Gedichtes "Abendland" umzudeuten. Das Gedicht "beklagt", laut Zillich, "Europas Not und ersehnt die Erlösung". "Obgleich das Gedicht die Völker des Abendlandes erwähnt, für alle spricht, eben für das Abendland, zu dem auch von dessen Kultur geformte Gebiete der Übersee und des Ostblocks zu zählen sind, wobei ich im hellenistischen, nicht abwertenden Sinne die ganz anderen Räume als die der Barbaren bezeichnete, erfindet Hockl, ich hasse die Dänen, Niederländer, Franzosen und noch einige Völker. Hier wird seine Verleumdung vollends dumm."
Er widerspricht auch der Deutung seines Romans "Der Weizenstrauß" (die Romangestalt Polenka sei weder Ausdruck seiner Slawenfeindschaft noch habe der radikale rumäniendeutsche Nazi, Fritz Cloos das Vorbild zu dieser literarischen Figur geliefert). Er bezeichnet sich als jemand, der den Chauvinismus ablehnt, sich über die "Madjarisierungstyrannei" geärgert habe. Wegen der Schilderung des "sturen Nazityps" (Polenka), schreibt Zillich weiter, "bekam ich (...) eine Untersuchung auf den Hals". Daß ihn die Nazis 1937 mit einem Ehrendoktorat der Universität Göttingen ehrten, verschweigt das "Opfer" Zillich natürlich, ebenso die Tatsache, daß er im gleichen Jahr 1937 von Adolf Hitler empfangen wurde und daß dem Führer zwei seiner Bücher als Geschenk überreicht wurden. "Die Völker, zwischen denen ich aufwuchs, stellte ich dar, wie ich sie erlebt hatte, doch ohne Haß, den Hockl mir unterschiebt".
Um sich selber zu entlasten und um gleichzeitig Hockl blinde Willfährigkeit zu unterstellen , zitiert er aus einem Nazigedicht des Verfassers des Buches, "Offene Karten". "Er war damals dem Zeitgeist so hörig wie heute jener moralisierenden Literatenmode, die jedermann zu lieben vorgibt, aber parteiisch, überheblich und ideologisch eng ist". Mit anderen Worten: Zillich ist sich und seinen Auffassungen treu geblieben, Hockl jedoch hat sich als ewiger Anpasser erwiesen.
Auf der Tagung der "Arbeitsgemeinschaft" 1975 habe Hockl wie ein "Spion" sein "Abhörgerät" betätigt und an der "Leimrute gekauert".
Um die Anspielung Zillichs besser zu verstehen, muß man wissen, daß Hockl zeitweilig für die Spionageabteilung I und II von Wilhelm Canaris (der später an der Verschwörung gegen Hitler beteiligt war) gearbeitet hat. (Vgl. Offene Karten, a.a.O., S.24 ff.)
"Stundenlang ertrug ich sein Lauern, bis mir die Geduld riß, nervös geworden auch vom Hin und Her darüber, wer die sieben Morde zu verantworten habe, wo doch zehntausendmal mehr kommunistische Untaten an den Südostdeutschen geschehen waren; es überkam mich aus Abscheu gegen den Schnüffler die Lust zum Aufschneiden und ich flunkerte, im 1. Weltkrieg habe ein Soldat 21 Gefangene abgeknallt. Schrie die Moraltante auf? Einundzwanzig! Diese Zahl enthüllte das Unglaubliche der nie geschehenen Geschichte und die Goldene Tapferkeitsmedaille, die ich dem Mörder andichtete, unterstrich das. Kein Gekreisch des Tugendboldes! Er hatte mich ja auf dem Band."
Der unvermeidliche Hinweis auf die "kommunistischen Untaten" ist typisch für die revisionistische Denkweise Zillichs. Die ursächliche Verknüpfung von zwei unterschiedlichen Vorfällen basiert auf der historischen Verdrehung und Umkehrung von Tatsachen. Ursache und Wirkung werden in einen bestimmten Kontext gestellt, um das eine Geschehen zu verharmlosen und das andere Ereignis zu dämonisieren.
In seiner Entgegnung zitiert Heinrich Zillich auch einen Auszug aus dem "Rundbrief" des Ehrenvorsitzenden der Banater Schwaben, Michael Stocker, in dem von "Unwahrheiten, Verzerrungen und boshaften Entstellungen" die Rede ist. Stocker widerspricht Hockls Darstellung, "daß die rumänischen Regierungen zu Verboten und Schikanen erst griffen, als der Nationalsozialismus unter den Volksdeutschen vordrang, auch dürfe man die Verschleppung der 75 000 Deutschen aus Rumänien nach Rußland im Januar 1945 der kleinen Sabotagegruppe Andreas Schmidts nicht anlasten, die mit Fallschirmen landete, als die Verschleppung schon lief. Hockl entschuldigt - wem zum Nutzen? - hier in stutzig machender Weise Russen und Rumänen." (...) "Stocker erklärt, daß jene, die schon vor dem letzten Krieg 'Subversion' trieben, wie seit 1936 der Spion Hockl gegenüber Rumänien, den Haß mancher Rumänen gegen die Deutschen entfacht hatten. Ich danke Stocker, daß er die 'geifernde Besudelung Dr. Zillichs' durch Hockl als das 'Widerwärtigste' an dessen Schriften brandmarkte."
Vgl. Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 29. Jg., Folge 4, 1980, S. 319-322.
Friedrich Cloos, Dr. Walter Loew, Viktor Stürmer veröffentlichten im gleichen Heft der Südostdeutschen Vierteljahresblätter eine "Stellungnahme", in der die Unterzeichner von "schweren Beschuldigungen" sprechen, die "gegen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft und ihre Arbeit" erhoben wurden. Die von Hockl in seinem Buch veröffentlichten Gesprächsprotokolle bezeichnen sie als "willkürliche Ausschnitte". Deshalb würde die Arbeitsgemeinschaft es ablehnen, auf die "Ausführungen" Hockls einzugehen und sie zu widerlegen.
Vgl. Südostdeutsche Vierteljahresblätter,
29. Jg., Folge 4, 1980, S. 322.
HEINRICH ZILLICH | Starnberg am See, 13. Januar 1980 |
Dr. rer. pol. Dr. phil. h.c. |
für Ihren Brief vom 11. Januar und dessen zwei Beilagen danke ich. Zunächst möchte ich mich über die "Pfarrerflucht" äußern. Ich war in drei Kriegen Soldat. Der Diensteid verpflichtete uns, bis zum Tod bei der Truppe auszuharren. Setzen Sie für Truppe Gemeinde, so haben Sie, was ich zu Ihren Ausführungen meine. Natürlich verläßt ein Pfarrer als letzter den Ort, doch es gibt die von Ihnen geschilderten Ausnahmen. Daß aber die Kirche einen geflohenen Pfarrer in anderen Ländern verfolgen läßt und seine Anstellung als Geistlicher verhindert, hat nur mit "Regiment" etwas zu tun, mit Christentum nichts. Dies spüren auch die "aufnehmenden" Kirchen, indem sie solchen Pfarrern Ersatzbeschäftigungen gewähren wie die von Religionslehrern, den Bestraften also doch nicht gar zu arg bestrafen. Das muß man mit dem Ethos der Soldaten vergleichen; dieses kennt in solchen Angelegenheiten gemilderte Strenge nicht, sondern nur die Todesstrafe für den, der die Fahne verläßt. Die Kirche kann sich immer mit der sie verpflichtenden Nächstenliebe ausreden; volkstümlich gesagt handelt es sich hier doch darum, daß eine Krähe der anderen die Augen nicht aushackt.
Die Judenfrage ernsthaft zu betrachten und zu suchen, wodurch sie entstand und warum kein Volk die Juden mag, ist heute gefährlich, was unsere Freiheit nicht gerade bestätigt. Wer bemüht ist, hier die Wahrheit aufzudecken, kommt bald in Satans Küche. Wie Dr. Wagner und Hans Bergel habe ich das Südostdeutschtum zu vertreten und nicht es zu beschuldigen. Darum hätte ich Ihren Aufsatz, den Sie in der "Tribüne" herausbrachten, ebenfalls nicht angenommen. Weil in Nordsiebenbürgen unter dem Druck der madjarischen Politik und Presse drei oder vier Volksdeutsche nachpfiffen, was man damals hören wollte, haben sie keineswegs die Judenverfolgung in Ungarn verursacht, wie Sie behaupten; Seite 98 unten: "Nach dem Erscheinen dieses Leitartikels begann die heute wie damals unerhörte Hetze gegen die Juden". Das stimmt nicht.
Mein bewährter Mitarbeiter Dr. Johann Weidlein las Ihren Aufsatz und schickte mir eine kurze Darstellung der Geschichte des Antisemitismus bei den Madjaren und Ungarndeutschen, wobei er vermerkte, wie unzulänglich Ihr Artikel ist und wie er die ungarischen Gewaltmaßnahmen gegen die Juden nicht genügend entlarvt, sondern mit dem Hinweis auf wenige antisemitische volksdeutsche Stimmen dem ahnungslosen Leser vormacht, diese Pressebeiträge hätten die madjarischen Judengesetze veranlaßt. Ich bringe Weidleins Aufsatz im nächsten Heft, um Ihre Darlegungen ins Lot zu rücken und den von diesen angerichteten Schaden zu verringern.
Wenn Sie schon als Ankläger der Volksdeutschen auftreten, hätten Sie nicht vergessen dürfen, daß im größeren, 1940 bei Rumänien verbliebenen Teil Siebenbürgens solche Aufsätze wie in der Bistritzer Zeitung nicht erschienen, daß aber der damalige Bischofsvikar Friedrich Müller nach Ausbruch des Kriegs gegen die Sowjetunion eine Predigt hielt und in den "Kirchlichen Blättern", Hermannstadt, (Jahrgang 1941, Seite 446 ff) veröffentlichen ließ. Ich besitze diese Nummer. Die Predigt bejubelt Hitlers Angriff auf Rußland, der zugleich gegen die Juden gerichtet sei, die eine "maßgebliche Rolle in den heutigen Weltereignissen" spielen. Nach Jesus seien sie "Kinder des Satans" und der begonnene Krieg das "gewaltigste Gottesgericht...das "Heil Hitler" wird gerade uns Christen in diesen Tagen zum Gebet. Hier handelt der Führer ganz gewiß als Gottes Werkzeug".
Daß Müller später entgegengesetzte Töne anschlug, erklärt sich damit, daß der Volksgruppenführer der Deutschen in Rumänien Andreas Schmidt, der anfangs Müller als Bischof haben wollte, sich auf Berlins Wink hin für Staedel entschied. Das macht Müller zum Antinazi-Paulus. Trotzdem scheint mir seine gegen die Juden gerichtete Äußerung wichtiger als ein paar antisemitische Aufsätze von Provinzjournalisten.
Zu den Ursachen der Judenfeindschaft dies: als ich als rumänischer Leutnant 1919 gegen den Kommunismus Béla Kuns in Ungarn marschierte, stießen wir ständig auf erregte Menschen, die berichteten, die wüstesten roten Quälgeister seien Juden gewesen. Kuns Regierung hatte nur einen nicht-jüdischen Volksbeauftragten (Minister). Besonders Tibor Szamuelly und Corvin waren Bluthunde. Der rote Terror weckte dann den weißen.
NSDAP-Mitgliedskarte von Heinrich Zillich
Als ich in Berlin von 1920 bis 1924 studierte, beobachtete ich, wie in der Presse unser Volk von jüdischen Journalisten dauernd verhöhnt wurde. Unter den Amtsärzten in Berlin gab es über 50 % Juden, weil sie sich gegenseitig in diese Posten schoben. Dies sind nur einige Tatsachen, die damals nicht bloß die Deutschen als Herausforderung empfanden. Wie ich aber meine jüdischen Mitarbeiter des Klingsors nach 1933 behandelte, ist längst literaturgeschichtskundig. Was die Zahl von angeblich 6 Millionen umgebrachten Juden anlangt, las ich schon 1968 verblüfft im "Ploetz", der wichtigsten deutschen Geschichtschronik, 27. Auflage, Seite 1537, die Zahl liege bei 5 700 000, im Band 2 des dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Seite 205, wird sie mit 4 851 200 bezeichnet. So unklar sind die Angaben. Die Baseler Nachrichten schrieben einmal, es seien nur etwa 300 000 Getötete gewesen. Ich erwähne dies, weil ich mich weigere, das Problem von Grund auf zu betrachten, denn wo bekomme ich gültige Beweise für die Berechtigung der einzelnen weltweit gegen uns ständig neu entfachten Vorwürfe?
Darum hätte auch ich Ihren lediglich auf ein paar antisemitische volksdeutsche Artikel bezogenen Aufsatz nicht veröffentlicht. Er verdächtigt verallgemeinernd die Südostdeutschen und erwähnt nicht einen einzigen der vielen antijüdischen madjarischen Autoren und die vielen Staatsmänner Ungarns, die sich schon viel früher ihrer Judenfeindschaft brüsteten. Sie haben mit Ihren Ausführungen die heute immer noch gesteuerte, seit vier Jahrzehnten anhaltende Verteufelung des deutschen Volkes verstärkt. Sie glauben, es sei allerhöchste Zeit, die gänzlich unbedeutenden drei oder vier Provinzantisemiten der Ungarndeutschen zu denunzieren. Bei einem bemerken Sie sogar mit Nennung seines Namens, daß er 1975 - sicherlich für andere Taten - das Bundesverdienstkreuz erhielt. Diese Leute waren für die Judenverfolgung, die allein die Madjaren zu verantworten haben, ganz belanglos. Sie sagen sogar, wir alle seien schuld am Schicksal der Juden. Eine so billige pastorale Redensart, bitte ich Sie, nicht auf mich anzuwenden. Wenn Sie sich schuldig fühlen, so ist es Ihre Sache, und ich werde Sie deswegen nicht verpfeifen, aber ich fühle mich nicht schuldig und gebe Ihnen nicht das Recht, unsere Landsleute wegen der paar Schreiberlinge an den Pranger zu stellen.
Ich bin darum froh, daß Weidlein mit seinem Aufsatz den Ihren unter die Lupe nahm und nachwies, wer die aktiven Judenfeinde in Ungarn waren, unter deren Einfluß nur ganz wenige Ungarndeutsche schwatzten, aber nicht handelten. Nochmals betone ich, man kann über die Judenfrage nicht sprechen, ohne die Ursache des Judenhasses aufzuhellen, dazu gehört aber auch der Haß der Juden gegen die Christen. Als Student in Berlin geriet ich etwa 1922 ahnungslos durch Einladung in eine seltsame Gesellschaft von fast durchwegs jüdischen Anwesenden, wo nach kurzem einer in ekelhafter Verzerrung den evangelischen Gottesdienst unter brüllendem Beifall verhöhnte. Wie es wieder still wurde, sagte ich, ich bedauere es, nie einen jüdischen Gottesdienst erlebt zu haben; darum könne ich keinen Rabbi verulken. Im nächsten Augenblick schrien alle wütend auf mich ein: ich sei ein Spießer; es sei unerhört, so zu reden wie ich. Eine Minute später zog ich mir im Flur den Mantel an. Das tat auch eine Dame, Tochter eines Admirals, wie ich sofort erfuhr. Wir zwei waren die einzigen Deutschen und spürten beide dasselbe, daß diese jüdischen Literaten und ihre Frauen unser Volk demütigen wollten.
Gewiß, es gab sehr viel mehr anständige, sogar deutschbewußte Juden, die bestimmt mehr als ich diese Deutschenfeinde ablehnten, die uns zu reizen suchten.
Ich bedauere es, daß Sie den Ungarndeutschen die madjarische Judenverfolgung in die Schuhe schieben und dabei gar Basch nennen, den die Kommunisten nach dem 2. Weltkrieg hinrichteten. Ich kannte diesen Ehrenmann, der so tapfer starb wie Stephan Ludwig Roth und übrigens bis zur letzten Stunde seine jüdische Geliebte nicht im Stich ließ.
Sie fragen mich, ob ich Ihre Erzählung über einen jüdischen Kriegsversehrten aus dem 1. Weltkrieg in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern veröffentlichen wolle. Ich kann keine Veröffentlichung einer Arbeit versprechen, die ich nicht kenne. Aber ich fürchte nach Ihrem Aufsatz, daß Ihre Erzählung wieder eine Belastung des Südostdeutschen sein könnte.
Ich danke dafür, daß Sie mir und meiner Tätigkeit Freude und Erfolg wünschen und Gesundheit überdies.
Ich wünsche auch Ihnen das Beste und alles Gute für das begonnene Jahr, indem ich Sie freundlich grüße als Ihr ergebener Heinrich Zillich
N.B.
Mein Vater war Direktor der großen Brenndörfer Zuckerfabrik bei Kronstadt, zu deren Hauptaktionären reiche Budapester Juden gehörten, die bei uns oft erschienen und an meiner Eltern Tisch saßen. Unter den Angestellten der Fabrik gab es auch etliche Juden, mit deren Kindern ich spielte. Ich kannte die Juden gleichsam schon seit der Muttermilch, haßte sie nie und half beim "Klingsor" ihren begabten Autoren, indem ich sie druckte. Ich ließ mich aber von ihnen auch nicht anpöbeln.
Überlegen Sie folgendes: die Bluttaten der jüdischen Henker Kuns brachten den in Budapest stets schon vorhandenen Antisemitismus zur Weißglut; und das schlug über auf den Antisemitismus in Wien, wo es so viele Juden gab, die im Geschäft leben und in der Presse sich breitmachten. Und von Wien her, wo Hitler als junger Mann lebte, drang der Antisemitismus über München in Deutschland ein, wo er früher kaum beachtenswert war. Daß Hitler die Judengegnerschaft in ein System brachte, war auch Wiener Mitgabe. Aber was daraus wuchs, hat die Ur-Wurzel im Blutregime der Juden 1919 in Ungarn.
Natürlich werde ich mich hüten, diese Frage jetzt aufs Tapet zu bringen - warum? Das wissen Sie doch!
Es hat zwischen Sachsen, Donauschwaben und Juden nie ernste Gegensätze gegeben. Darum sehe ich keine Notwendigkeit, die Judenfrage zu behandeln, ehe man sie völlig frei behandeln kann.
Da fällt mir ein Gespräch zwischen meinem Vater und dem Leiter,
einem Juden, der jüdisch-ungarischen Kreditbank ein: er sagte, wissen
Sie, Herr Direktor, was uns am meisten an den Sachsen gefällt? Nicht?
Bitte: um 1880 kamen jüdische Kreditgauner in die siebenbürgisch-deutschen
Dörfer und boten den verarmten Bauern Darlehen an, 100 Gulden für
einen Gulden Zinsen je Woche, als 52%. Haben die Sachsen sie totgeschlagen?
Nein, Dr. Carl Wolff gründete Kreditgenossenschaften, die den Bauern
Darlehen zu 2 1/2 bis 3 % Zinsen gaben. Und weg waren
aus allen sächsischen Dörfern die jüdischen Wucherer. Sehen
Sie, das hat uns anständigen Kaufleuten und allen guten Juden imponiert.
Und wir sind mit Euch Freunde geblieben.
Erstellt am 01.November 1998. Aktualisiert am 01. März 1999